Effectuation klingt komplizierter, als es ist: Im Grunde geht’s darum, mit dem zu arbeiten, was man schon hat.
Aber wie unterscheidet sich diese Art zu denken eigentlich von Ansätzen wie Lean Startup, Design Thinking oder agilem Projektmanagement?
Und: Wann ist sie für Unternehmer und Entscheider wirklich hilfreich?
Hier kommen die Überlegungen zu einer ersten Antwort – möglichst klar, mit gesundem Menschenverstand und ohne Worthülsen.
![Gleise – Viele Ansätze im Vergleich mit Effectuation [Bild von wal_172619 auf Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/tracks-4895196_1280.jpg)
Inhalt
Warum überhaupt vergleichen? – Einstieg: „Alle wollen agil sein – aber wie eigentlich?“
Heute ist gefühlt alles agil, innovativ und kundenfokussiert – vom Handwerksbetrieb bis zum Großkonzern. Und irgendwo zwischen Businessplänen, MVPs und Design-Sprints fragt sich so mancher:
„Muss ich den ganzen Zirkus auch mitmachen – oder reicht ein bisschen Hirn und Erfahrung?“
Wer sich als Unternehmer durch den Methodendschungel kämpft, stolpert ständig über neue Schlagworte: Lean hier, agil dort, Design Thinking gleich nebenan. Effectuation taucht da oft einfach als weiterer Begriff auf – aber das greift zu kurz.
Effectuation ist weniger eine Methode – mehr eine Denkhaltung.
![Nachdenken [Bild von Gerd Altmann auf Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/to-learn-3069053_1280-1024x682.jpg)
Und genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzuschauen:
- Wo passt Effectuation gut zu anderen Ansätzen?
- Wo geht sie komplett andere Wege?
Gute Nachricht: Es gibt kluge Wege, auch unter Unsicherheit ins Handeln zu kommen. Effectuation ist einer davon.
Wer versteht, wann sie passt – und wann vielleicht andere Ansätze besser helfen –, spart sich unnötige Schleifen.
Was ist Effectuation eigentlich?
Effectuation beschreibt, wie erfolgreiche Unternehmer wirklich ticken – und das oft ziemlich anders, als es klassische Lehrbücher erzählen:
- Starten mit dem, was da ist, statt auf bessere Zeiten zu warten
- Leistbaren Verluste von Anfang an einkalkulieren, statt auf den großen Wurf zu wetten
- Partner ins Boot holen, statt alles alleine oder gegen andere durchzuziehen
- Chancen entdecken, statt sich an starre Pläne zu klammern
- Flexibel bleiben, statt ewig auf die perfekte Prognose zu hoffen
Kurz gesagt: Weniger planen, mehr machen.
![Segelboot [Bild von Fabien auf Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/sea-7250881_1280-1024x678.jpg)
Effectuation heißt: Erst schauen, welche Möglichkeiten die eigenen Mittel bieten – und daraus etwas entwickeln.
Anstatt ewig Konzepte zu schreiben, wird einfach mal losgelegt: mit dem Wissen, den Kontakten und den Ideen, die schon vorhanden sind. Schritt für Schritt, gemeinsam mit anderen – und offen für das, was unterwegs passiert.
Man könnte es auch so sagen:
Effectuation ist wie Kochen mit dem, was der Kühlschrank gerade hergibt.
Ohne Einkaufszettel, aber mit Kreativität, Mut – und manchmal einer Portion Improvisation.
Ein Umfangreichere Einleitung findest du unter: Was ist Effectuation? – 5 Grundprinzipien und Ursprung
Effectuation im Vergleich: Wo sind Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
![Vergleich [Bild von Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/point-442024_1280-1024x768.jpg)
Effectuation vs. Lean Startup
Effectuation und Lean Startup wirken auf den ersten Blick wie gute Kumpel: Beide mögen kleine Schritte, schnelles Lernen und halten nichts von endlosen Businessplänen.
Aber: Sie ticken grundverschieden, wenn es um Planung, Ziele und den Umgang mit Unsicherheit geht.
- Lean Startup will Unsicherheit wegmessen: Idee aufstellen, testen, auswerten, anpassen. Immer schön Schritt für Schritt.
- Effectuation sagt: Unsicherheit gehört dazu – also lieber das Beste daraus machen und unterwegs schauen, was sich entwickelt.
Lean Startup fragt:
„Welche Annahmen über den Markt müssen wir testen?“
Effectuation fragt:
„Was können wir jetzt sofort mit dem, was wir haben, aufbauen – unabhängig davon, was der Markt angeblich will?“
![Bagger [Bild von Dimitris Vetsikas auf Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/excavator-2196826_1280-1024x576.jpg)
Der Unterschied liegt also nicht im Tempo, sondern wo und wie man startet:
- Lean Startup braucht eine erste Annahme über ein Kundenproblem. Daraus wird ein „Minimal Viable Product“ gebaut, um zu testen, ob die Idee überhaupt jemand interessiert.
- Effectuation startet einfach mit dem, was da ist: eigene Kompetenzen, Netzwerke, Ideen. Kunden und Märkte entwickeln sich dann oft erst unterwegs.
Kurz gesagt:
Lean Startup entwickelt Ideen für bekannte Märkte – Effectuation schafft neue Märkte aus vorhandenen Möglichkeiten.
Wie beide gut zusammenspielen können
Ein Unternehmer nutzt zunächst Effectuation: Mit vorhandenen Kontakten, Wissen und Mitteln entwickelt er ein erstes grobes Produkt oder eine Dienstleistung.
Erst als ein klareres Bild entsteht, schaltet er auf Lean Startup um: Er testet gezielt Hypothesen, baut ein erstes Minimalprodukt und holt echtes Kundenfeedback ein.
Erst Effectuation – dann Lean Startup.
Das Ergebnis:
Ein kreativer, pragmatischer Start – ohne sich vorher im Kopf zu verknoten. Und trotzdem mit klarer, systematischer Überprüfung, ob das Angebot draußen wirklich jemand haben will.
Tabellarischer Vergleich: Effectuation vs. Lean Startup
Kriterium | Effectuation | Lean Startup |
---|---|---|
Denklogik | Mittel → Möglichkeiten → Co-Creation Mittelbasierte Gestaltung | Hypothesengetriebene Validierung und Experimente |
Ausgangspunkt | Verfügbare Mittel und Ressourcen Mittel sind gegeben („Bird-in-Hand“: Wer bin ich? Was weiß ich? Wen kenne ich?) | Problemanalyse und Hypothesenformulierung / Annahme über Kundenprobleme („Was könnte funktionieren?“) |
Ziel / Zielsetzung | Emergent Entsteht iterativ im Prozess durch Interaktion und Experimentieren | Klare, zu Beginn definierte Zielhypothesen, zu validieren und testen |
Handlungsfokus | Fokus auf Machbarkeit und Flexibilität Chancen nutzen, flexibel anpassen, Möglichkeitsräume erkunden | Hypothesen validieren/testen und lernen, Produkte anpassen |
Typischer Stil | Improvisierend, opportunitätsgetrieben, adaptiv und co-creativ | Systematisch experimentell und iterativ |
Anwendungsumfeld & Typischer Kontext | Ungewiss, dynamisch Funktioniert bei hoher Unsicherheit und Wandel, neuen/offenen Märkte, frühen Ideen/Phasen, Innovationsfeldern, hohem Risiko | Frühe Produktentwicklung, MVP-Phasen, bekannte Problembereiche |
Umgang mit Kontrolle | Kontrolle durch Handlungsspielraum, Gestaltung (Fokus auf Beeinflussbares) Partnerschaften und Anpassung | Kontrolle durch Messen, Validieren, Lernen und Anpassen |
Umgang mit Risiko | Verlust wird begrenzt durch „Affordable-Loss“ (”Was bin ich bereit zu verlieren?“) Durch Partnerschaften verteilt und kleine Schritte flexibel gesteuert | Fail Fast („Schnell validieren“) Minimierung durch frühes Kundenfeedback und schnelles Erkennen |
Umgang mit Unsicherheit | Annehmen, kooperieren und nutzen Co-Creation Unberechenbarkeit akzeptiert | Hypothesengetriebene Reduktion Reduzieren durch Tests und Daten |
Planung & Vorgehen | Minimal vorausgeplant, schrittweise emergent Iterativ, flexibel, opportunistisch Kontinuierliche Anpassung | Geplante Experimente mit klaren Zyklen |
Kundenbezug | Frühzeitige Partnerschaften, Kunden als Co-Entwickler Entsteht organisch über Kooperationen | Kundenfeedback als Validierung / Tester der Hypothesen |
Rolle anderer | Frühzeitige Partner, die mitgestalten („Crazy-Quilt“: Co-Creation) | Stakeholder, Tester und Feedbackgeber |
Marktverständnis | Markt wird mitgestaltet oder neu geschaffen | Markt wird erforscht, getestet und bestätigt |
Ressourcenlogik | Vorhandene Mittel werden kreativ genutzt („Bird-in-Hand“) – “Was habe ich zur Verfügung?” und Co-Creation “Wer macht mit?” | „Was müssen wir wissen?“ „Affordable Loss“ + „Build-Measure-Learn“ Validierung („Kundenfeedback einholen“) |
Innovation | Emergent durch Ausprobieren, Kombination und Umdeutung Entsteht aus vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten | Entsteht durch Validierung neuer Lösungen, Lernen und Pivotieren |
Entscheidungsfindung | Kooperation, Commitment, partnerschaftlich, pragmatisch, situativ, opportunistisch Dezentral, handlungsorientiert („Learning by doing“) | Lernzyklen, datenbasierte Anpassung |
Fehlerkultur | Fehler als Lernchance und normaler, notwendiger Entwicklungsschritt Scheitern ist Prozessbestandteil | Fehler als Lernquellen |
Flexibilität | Extrem hoch (schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten), jederzeit neue Richtungen möglich Offen für Zufälle („Pivot durch neue Möglichkeiten“) | Hoch innerhalb des Experiments und Zielrahmens Pivot bei Invalidierung („Business Model Shift“) |
Zeitperspektive | Gegenwartsbezogen (Handeln mit Jetzt-Ressourcen) Offen, emergent Ad-hoc/Kurzfristig handeln, langfristig formen/gestalten, variable Entwicklungsgeschwindigkeit | Schnellzyklisch Kurzfristig testen, mittelfristig skalieren |
Motivation | Gestaltungslust/Gestaltungsgetrieben („Was kann ich bewirken?“) Umsetzungsdrang und Möglichkeitsdenken | Problemlösungsdrang und Optimierungsdenken |
Veränderungslogik | Neue Realität schaffen und Wandel gestalten Veränderung entsteht durch Handeln („Design statt Discovery“) | Lernschleifen durchführen und dadurch Wandel iterativ bewältigen |
Typische Anwender | Gründer, Entrepreneure, Innovatoren, „Macher“, Intrapreneure, Pioniere, Handwerker | Startups, Innovationsabteilungen, Tech-Teams |
Fokus | Möglichkeitsräume („Was kann daraus werden?“) | Skalierbarkeit („Growth Hacking“) |
Typische Frage | „Welche Ziele lassen sich mit meinen Mitteln erreichen?“ | „Wie baue ich das richtige Produkt?“ |
Effectuation vs. Design Thinking
Hier treffen zwei kreative Ansätze aufeinander – beide mit einer anderen Startpunkten:
- Design Thinking startet beim Kunden: „Was braucht der Mensch wirklich?“
- Effectuation startet mit den eigenen Mitteln: „Was können wir daraus machen?“
Während Design Thinking verborgene Bedürfnisse aufdeckt und Lösungen entwickelt, geht Effectuation den pragmatischen Weg und nutzt vorhandene Ressourcen – auch ohne tiefgehende Marktanalyse.
Kurz gesagt:
Design Thinking sucht nach Problemen, die es zu lösen gilt – Effectuation sucht nach Möglichkeiten, die sich aus dem ergeben, was schon da ist.
![Design Thinking Workshop [Foto von Amélie Mourichon auf Unsplash]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/amelie-mourichon-wusOJ-2uY6w-unsplash-1024x768.jpg)
Wie beide gut zusammenspielen können
Stellen wir uns vor, ein Unternehmen startet mit Effectuation: Es nutzt, was es hat – Kontakte, Ressourcen, Ideen – und entwickelt eine erste Produkt- oder Dienstleistungsidee.
Dann kommt Design Thinking ins Spiel: Es werden Workshops mit Kunden gemacht, echtes Feedback eingesammelt und die Idee anhand realer Bedürfnisse geschärft.
Das Ergebnis:
Eine Lösung, die nicht nur aus den eigenen Ressourcen wächst, sondern auch den Kunden wirklich abholt – und das Ganze aus beiden Richtungen: von innen (eigene Mittel) und von außen (Kundenperspektive). So trifft die Lösung den Nagel auf den Kopf.
Tabellarischer Vergleich: Effectuation vs. Design Thinking
Kriterium | Effectuation | Design Thinking |
---|---|---|
Denklogik | Mittel → Möglichkeiten → Co-Creation Mittelbasierte Gestaltung | Nutzerzentrierte Problemlösung |
Ausgangspunkt | Verfügbare Mittel und Ressourcen Mittel sind gegeben („Bird-in-Hand“: Wer bin ich? Was weiß ich? Wen kenne ich?) | Bedürfnisse und Probleme der Nutzer („Was schmerzt?“) |
Ziel / Zielsetzung | Emergent Entsteht iterativ im Prozess durch Interaktion und Experimentieren | Entwicklung einer nutzerzentrierten Lösung eines Nutzerproblems Lösungsraum (Prototyp für Problem) |
Handlungsfokus | Fokus auf Machbarkeit und Flexibilität Chancen nutzen, flexibel anpassen, Möglichkeitsräume erkunden | Nutzerprobleme verstehen, Ideen generieren und Probleme lösen |
Typischer Stil | Improvisierend, opportunitätsgetrieben, adaptiv und co-creativ | Empathisch, strukturierte Kreativität |
Anwendungsumfeld & Typischer Kontext | Ungewiss, dynamisch Funktioniert bei hoher Unsicherheit und Wandel, neuen/offenen Märkte, frühen Ideen/Phasen, Innovationsfeldern, hohem Risiko | Produkt- und Serviceinnovation |
Umgang mit Kontrolle | Kontrolle durch Handlungsspielraum, Gestaltung (Fokus auf Beeinflussbares) Partnerschaften und Anpassung | Kontrolle durch tieferes Kundenverständnis und Nutzerfeedback |
Umgang mit Risiko | Verlust wird begrenzt durch „Affordable-Loss“ (”Was bin ich bereit zu verlieren?“) Durch Partnerschaften verteilt und kleine Schritte flexibel gesteuert | Risiko reduzieren durch Verstehen der Nutzerbedürfnisse Experimentierfreude („Test & Learn“) |
Umgang mit Unsicherheit | Annehmen, kooperieren und nutzen Co-Creation Unberechenbarkeit akzeptiert | Reduzieren durch Nutzerfeedback Strukturierte Exploration |
Planung & Vorgehen | Minimal vorausgeplant, schrittweise emergent Iterativ, flexibel, opportunistisch Kontinuierliche Anpassung | Iterativer, phasenstrukturierter Prozess (Verstehen, Beobachten, Sichtweise definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln, Testen) |
Kundenbezug | Frühzeitige Partnerschaften, Kunden als Co-Entwickler Entsteht organisch über Kooperationen | Fokus auf Nutzererlebnis Von Anfang an im Zentrum |
Rolle anderer | Frühzeitige Partner, die mitgestalten („Crazy-Quilt“: Co-Creation) | Nutzer und Stakeholder als Experten Interdisziplinäre Teams |
Marktverständnis | Markt wird mitgestaltet oder neu geschaffen | Markt durch Nutzerbedürfnisse definiert Marktbedürfnisse werden erforscht |
Ressourcenlogik | Vorhandene Mittel werden kreativ genutzt („Bird-in-Hand“) – “Was habe ich zur Verfügung?” und Co-Creation “Wer macht mit?” | „Was brauchen Nutzer?“ Co-Creation („Nutzer einbeziehen“) |
Innovation | Emergent durch Ausprobieren, Kombination und Umdeutung Entsteht aus vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten | Nutzer-/bedürfnisgetrieben |
Entscheidungsfindung | Kooperation, Commitment, partnerschaftlich, pragmatisch, situativ, opportunistisch Dezentral, handlungsorientiert („Learning by doing“) | Nutzerzentriert, hypothesengetrieben, Nutzerfeedback-gesteuert |
Fehlerkultur | Fehler als Lernchance und normaler, notwendiger Entwicklungsschritt Scheitern ist Prozessbestandteil | Fehler als Lernquelle für bessere Nutzerlösungen |
Flexibilität | Extrem hoch (schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten), jederzeit neue Richtungen möglich Offen für Zufälle („Pivot durch neue Möglichkeiten“) | Hoch innerhalb der Methode und innerhalb der Nutzerperspektive Divergenz/Konvergenz („Mehrere Lösungswege“) |
Zeitperspektive | Gegenwartsbezogen (Handeln mit Jetzt-Ressourcen) Offen, emergent Ad-hoc/Kurzfristig handeln, langfristig formen/gestalten, variable Entwicklungsgeschwindigkeit | In strukturierten Iterationen Kurze Zyklen für schnelle Nutzererkenntnisse |
Motivation | Gestaltungslust/Gestaltungsgetrieben („Was kann ich bewirken?“) Umsetzungsdrang und Möglichkeitsdenken | Nutzern Mehrwert bieten |
Veränderungslogik | Neue Realität schaffen und Wandel gestalten Veränderung entsteht durch Handeln („Design statt Discovery“) | Bedürfnisse besser erfüllen Bestehende Probleme besser lösen |
Typische Anwender | Gründer, Entrepreneure, Innovatoren, „Macher“, Intrapreneure, Pioniere, Handwerker | Designer, Innovationsteams, Produktentwicklung, Agenturen |
Fokus | Möglichkeitsräume („Was kann daraus werden?“) | Nutzerzentrierung („Empathie first“) |
Typische Frage | „Welche Ziele lassen sich mit meinen Mitteln erreichen?“ | „Wie lösen wir dieses Problem?“ |
Effectuation vs. Agiles Projektmanagement & Scrum
Beide Ansätze setzen auf Flexibilität, starten aber ganz unterschiedlich:
- Agiles Projektmanagement (wie Scrum) geht mit einer groben Idee los. Das Ziel steht fest, der Weg dorthin wird Stück für Stück gefunden.
- Effectuation fängt oft einfach mit dem an, was gerade da ist – ohne großes Ziel, aber mit Neugier, was daraus werden kann.
Scrum arbeitet also auf ein Ziel hin. Effectuation lässt sich eher überraschen, wohin die Reise geht.
Kurz und knapp:
Mit Agilität kommt man besser zum bekannten Ziel. Bei Effectuation entsteht das Ziel erst unterwegs.
![Agile Meeting [Foto von Parabol | The Agile Meeting Tool auf Unsplash]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/parabol-the-agile-meeting-tool-BDfQnva_6mU-unsplash-1024x683.jpg)
Wie beide gut zusammenspielen können
Ein Unternehmen nutzt zunächst Effectuation, um mit vorhandenen Ressourcen und Netzwerken ein erstes Projektteam und eine grobe Produktidee aufzustellen – ohne festen Zielplan.
Sobald ein klarerer Rahmen erkennbar ist, wird auf agiles Projektmanagement (z.B. Scrum) umgestellt: mit Backlog, Sprints und Retrospektiven.
Resultat:
Offene Ideengenerierung am Anfang – anschließend fokussiertes und flexibles Abarbeiten.
Tabellarischer Vergleich: Effectuation vs. Agiles Projektmanagement & Scrum
Kriterium | Effectuation | Agiles Projektmanagement / Scrum |
---|---|---|
Denklogik | Mittel → Möglichkeiten → Co-Creation Mittelbasierte Gestaltung | Iterative Zielverwirklichung |
Ausgangspunkt | Verfügbare Mittel und Ressourcen Mittel sind gegeben („Bird-in-Hand“: Wer bin ich? Was weiß ich? Wen kenne ich?) | Kundenbedürfnis („Wie liefern wir Wert?“) Klar definierter (Produkt-)Zielrahmen |
Ziel / Zielsetzung | Emergent Entsteht iterativ im Prozess durch Interaktion und Experimentieren | Inkrementell (Features z.B. in Sprints) Produktziel erreichen Grobes Ziel bekannt, Umsetzung wird entdeckt |
Handlungsfokus | Fokus auf Machbarkeit und Flexibilität Chancen nutzen, flexibel anpassen, Möglichkeitsräume erkunden | Features liefern, Zielinkremente erreichen |
Typischer Stil | Improvisierend, opportunitätsgetrieben, adaptiv und co-creativ | Iterativ, inkrementell, strukturiert |
Anwendungsumfeld & Typischer Kontext | Ungewiss, dynamisch Funktioniert bei hoher Unsicherheit und Wandel, neuen/offenen Märkte, frühen Ideen/Phasen, Innovationsfeldern, hohem Risiko | Projekte mit wechselnden/veränderlichen Anforderungen |
Umgang mit Kontrolle | Kontrolle durch Handlungsspielraum, Gestaltung (Fokus auf Beeinflussbares) Partnerschaften und Anpassung | Kontrolle über Sprints, regelmäßige Reviews und Feedback |
Umgang mit Risiko | Verlust wird begrenzt durch „Affordable-Loss“ (”Was bin ich bereit zu verlieren?“) Durch Partnerschaften verteilt und kleine Schritte flexibel gesteuert | Iterativ („Inspect & Adapt“) Risiko wird durch kurze Sprints und frühes Feedback minimiert |
Umgang mit Unsicherheit | Annehmen, kooperieren und nutzen Co-Creation Unberechenbarkeit akzeptiert | Reduktion durch kurze Zyklen |
Planung & Vorgehen | Minimal vorausgeplant, schrittweise emergent Iterativ, flexibel, opportunistisch Kontinuierliche Anpassung | Sprintweise Vorausplanung und Priorisierung |
Kundenbezug | Frühzeitige Partnerschaften, Kunden als Co-Entwickler Entsteht organisch über Kooperationen | Kunde/Produkt Owner gibt Anforderungen und Feedback |
Rolle anderer | Frühzeitige Partner, die mitgestalten („Crazy-Quilt“: Co-Creation) | Team, Product Owner, Stakeholder im klaren Rollenmodell |
Marktverständnis | Markt wird mitgestaltet oder neu geschaffen | Markt/Anforderungen werden iterativ bedient |
Ressourcenlogik | Vorhandene Mittel werden kreativ genutzt („Bird-in-Hand“) – “Was habe ich zur Verfügung?” und Co-Creation “Wer macht mit?” | Team-Selbstorganisation („Cross-Funktional“) „Was brauchen wir(, um Sprintziele zu erreichen)?“ |
Innovation | Emergent durch Ausprobieren, Kombination und Umdeutung Entsteht aus vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten | Durch Feedbackschleifen verbessert |
Entscheidungsfindung | Kooperation, Commitment, partnerschaftlich, pragmatisch, situativ, opportunistisch Dezentral, handlungsorientiert („Learning by doing“) | Teamentscheidungen innerhalb klarer Prozesse |
Fehlerkultur | Fehler als Lernchance und normaler, notwendiger Entwicklungsschritt Scheitern ist Prozessbestandteil | Fehler als Verbesserungsquelle für retrospektive Analysen und Anpassungen |
Flexibilität | Extrem hoch (schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten), jederzeit neue Richtungen möglich Offen für Zufälle („Pivot durch neue Möglichkeiten“) | Hoch innerhalb des Sprint- und Zielrahmens Anpassung pro Sprint („Backlog-Refinement“) |
Zeitperspektive | Gegenwartsbezogen (Handeln mit Jetzt-Ressourcen) Offen, emergent Ad-hoc/Kurzfristig handeln, langfristig formen/gestalten, variable Entwicklungsgeschwindigkeit | Feste Sprintzyklen (z.B. 2 Wochen) |
Motivation | Gestaltungslust/Gestaltungsgetrieben („Was kann ich bewirken?“) Umsetzungsdrang und Möglichkeitsdenken | Produktvision erreichen, Nutzerzufriedenheit steigern, Lieferfähigkeit von Mehrwert sicher stellen |
Veränderungslogik | Neue Realität schaffen und Wandel gestalten Veränderung entsteht durch Handeln („Design statt Discovery“) | Anforderungen dynamisch anpassen |
Typische Anwender | Gründer, Entrepreneure, Innovatoren, „Macher“, Intrapreneure, Pioniere, Handwerker | IT-Teams, Softwareentwicklung, komplexe Projekte |
Fokus | Möglichkeitsräume („Was kann daraus werden?“) | Liefergeschwindigkeit („Working Software“) |
Typische Frage | „Welche Ziele lassen sich mit meinen Mitteln erreichen?“ | „Wie liefern wir schneller Wert?“ |
Was passt wann? Und wann ist Effectuation für Unternehmer besonders sinnvoll?
Effectuation, Lean Startup, Design Thinking, agiles Projektmanagement – alles brauchbare Ansätze. Aber welches passt wann?
Effectuation zeigt besonders dann seine Stärken, wenn klassische Planerei an ihre Grenzen kommt:
- Wenn es noch keine klaren Vorbilder gibt
- Wenn der Markt sich nicht zuverlässig vorhersagen lässt
- Wenn Sie mit wenig Budget oder Ressourcen starten müssen
- Wenn die Rahmenbedingungen sich ständig ändern
![Floß [Bild von Judith Scharnowski auf Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/china-1180398_1280-1024x682.jpg)
Zwei typische Situationen:
- Ein etabliertes Unternehmen will in ein völlig neues Geschäftsmodell einsteigen – ohne zu wissen, wie der Markt darauf reagieren wird.
- Ein kleines Ingenieurbüro tüftelt an Lösungen für Umweltvorgaben, die noch nicht mal final beschlossen sind.
Kleiner Merksatz:
„Wenn der Businessplan eher nach Ratespiel als nach Bankunterlage aussieht – dann sind Sie bei Effectuation genau richtig.“
Spickzettel zur Einordnung:
Ansatz | Typische Situation | Stärken | Typische Schwächen |
---|---|---|---|
Effectuation | Viel Unsicherheit, viele Möglichkeiten, wenige Ressourcen | Extrem flexibel, ermöglicht neue Wege | Geringe Planbarkeit, wirkt manchmal chaotisch |
Lean Startup | Erste Ideen vorhanden, schnelle Marktvalidierung nötig | Effizientes Testen von Hypothesen, schneller Kundenfokus | Gefahr, langfristige Potenziale zu übersehen |
Design Thinking | Wunsch, echte Nutzerbedürfnisse zu verstehen | Systematisches Aufdecken von Kundenwünschen, kreative Problemlösung | Gefahr von Endlosschleifen ohne klare Entscheidungen |
Agiles Projektmanagement (z.B. Scrum) | Zielrahmen steht, Umsetzung ist komplex oder dynamisch | Hohe Anpassungsfähigkeit während der Umsetzung, starker Teamfokus | Braucht Disziplin und Rollenklärung, sonst droht potenziell Chaos |
Fazit: Verstehen bringt mehr als Nachmachen
Effectuation ist keine Methode, die man wie ein Werkzeug aus der Kiste holt, wenn’s gerade passt. Und sie ersetzt auch nicht Lean Startup, Design Thinking oder agiles Arbeiten.
Effectuation ist vor allem eins: eine Denkhaltung.
Eine Einladung, die Welt nicht als festen Rahmen zu sehen, sondern als etwas, das man gestalten kann – mit dem, was schon da ist. Gerade dort, wo klassische Pläne versagen, wird dieser Ansatz richtig wertvoll.
Wer als Unternehmer Effectuation verinnerlicht, kann:
- schneller ins Handeln kommen,
- klüger und flexibler zusammenarbeiten,
- entspannter mit Unsicherheit umgehen.
Und das Beste: Man muss gar nicht entweder/oder wählen.
![Keimling [Bild von congerdesign auf Pixabay]](https://pierresmits.de/wp-content/uploads/2025/05/plant-4036130_1280-1024x682.jpg)
Die Kunst liegt im Mischen:
Erst Effectuation, um loszulegen.
Dann Design Thinking, um herauszufinden, was Kunden wirklich wollen.
Lean Startup, um zu testen, was funktioniert.
Und agiles Projektmanagement, um das Ganze sauber umzusetzen und auszuliefern.
Kurz gesagt:
Gute Unternehmer ticken oft wie gute Köche:
Manchmal lohnt es sich, streng nach Rezept zu arbeiten – und manchmal wird aus dem, was halt da ist, was richtig Gutes.
„Ein halb voller Kühlschrank und ein bisschen Mut – mehr braucht es oft nicht für ein kleines Festessen.“
Weiterführende und alternative Quellen
[Agile 2001] Manifest für agile Softwareentwicklung: 2001, [online] https://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html.
[Brown 2016] Brown, Tim: Change by Design: Wie Design Thinking Organisationen verändert und zu mehr Innovationen führt, 01.08.2016.
[Eromero 2025] Eromero: Effectuation that respond to change: THE Crazy Quilt Principles – Yamato Manufacturing Co., Ltd., in: Yamato Manufacturing Co., Ltd., 03.03.2025, [online] https://www.yamatonoodle.com/news-topics/effectuation-that-respond-to-change-the-crazy-quilt-principles/.
[Faschingbauer 2010] Faschingbauer, Michael: Effectuation: wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln, 01.01.2010.
[Holisticon 2025] Holisticon AG: Liberating Structures – Innovation durch echte Zusammenarbeit, in: Holisticon AG, o. D., [online] https://liberatingstructures.de/.
[Lipmanowicz 2025] Lipmanowicz , Keith McCandless Henri: Liberating Structures – Introduction, o. D., [online] https://liberatingstructures.com/.
[Miller 2021] Miller, Joe/Ugur Sahin/Özlem Türeci: Projekt LightSpeed: Der Weg zum BioNTech-Impfstoff – und zu einer Medizin von morgen, 06.09.2021.
[Mortensen 2021] Mortensen, Ditte Hvas: The Basic Principles of Effectuation – How to Use What You Already Have to Become More Innovative, in: The Interaction Design Foundation, 22.04.2025, [online] https://www.interaction-design.org/literature/article/the-basic-principles-of-effectuation-how-to-use-what-you-already-have-to-become-more-innovative.
[Ries 2014] Ries, Eric: Lean startup: Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen, 10.10.2014.
[Salgame 2025] Five Principles of Effectuation Theory – ARTICLE 114 | LinkedIn: 06.02.2025, [online] https://www.linkedin.com/pulse/five-principles-effectuation-theory-article-114-shivananda-salgame-awzwc/.
[Sarasvathy 2008] Sarasvathy, Saras D.: Effectuation: Elements of Entrepreneurial Expertise, 01.01.2008.
[Sarasvathy 2006] Sarasvathy, Saras D./University of Virginia Darden School Foundation: THE AFFORDABLE LOSS PRINCIPLE, 2006, [online] https://22657557.fs1.hubspotusercontent-na1.net/hubfs/22657557/Public Documents For Site/affordable_loss_teaching_note.pdf.
[Steiner 2024] Steiner, Simon: 8 Effectuation-Fallbeispiele – Wie Effectuation in der Praxis funktioniert: Effectuation Beispiele, Praxisbeis, in: TOOLS FOR TOMORROW, 09.03.2024, [online] https://www.tomorrow.tools/post/effectuation-beispiele.
[Broeksema 2021] The five principles of effectuation | LinkedIn: o. D., [online] https://www.linkedin.com/pulse/five-principles-effectuation-bertjan-broeksema/.
[Effectuation.org] The Five Principles of Effectuation: o. D., [online] https://effectuation.org/the-five-principles-of-effectuation.
[Effectuation.org Detail] The Five Principles of Effectuation Detail: o. D., [online] https://effectuation.org/the-five-principles-of-effectuation-detail.
Beiträge aus der Effectuation-Mini-Serie
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