Missverständnisse sind in der Kommunikation ein häufiger Stolperstein – auch in agilen Teams. Zwei Personen sprechen miteinander, doch ihre Botschaften werden anders verstanden, als sie gemeint sind. Durch Reflexion und aktives Zuhören lassen sich solche Situationen besser erkennen und auflösen.

Inhalt
Eine kleine sportliche Auszeit mit dem Fahrrad. Wir sitzen mit Ortsansässigen in gemütlicher Runde in einem Café und sprechen über unterschiedliche Sportarten und die Angebote im Urlaubsort. Ein neuer Bewohner scheint besonders interessiert und fragt: „Welche Sportmöglichkeiten gibt es hier?“
Der Abteilungsleiter eines großen Vereins holt einen Flyer mit einer Übersicht der lokalen Sportarten hervor. „Hier sind die Angebote. Am beliebtesten sind derzeit Fußball, Handball, Volleyball, Leichtathletik, Turnen, Tennis und verschiedene Kampfsportarten. Falls du nach etwas Bestimmtem suchst, können wir gemeinsam schauen, welcher Verein es anbietet.“
Die Reaktion des Neuen überrascht mich. Plötzlich ruft er: „Typisch! In so einem Kaff gibt es außer Leichtathletik ja nichts! Ich brauche eine Mannschafts- und Ballsportart!“ Dann steht er auf und geht.
Nachdem die erste Irritation verflogen ist, wird mir klar: Auch im Arbeitsalltag führen wir manchmal Gespräche, bei denen die Inhalte nur oberflächlich zusammenpassen.
Beispiel:
- Frage: „Was schätzt du, kostet uns diese Software pro Monat?“
- Antwort: „In den Szenarien, die ich kenne, lag der Preis je nach Nutzerzahl und Funktionsumfang zwischen 99 und 199 € pro Nutzer und Monat. Ich vermute hier etwa 100 Nutzer mit gemischtem Funktionsumfang. Das würde auf rund 150 € pro Nutzer hinauslaufen, also insgesamt etwa 15.000 €.“
- Reaktion: „Völlig FALSCH! Wie kommst du auf fast 200 €? Wir haben 105 Nutzer und zahlen nur 143 € pro Monat pro Nutzer. Das sind nur 15.015 €.“
👉 Das zeigt, wie schnell Missverständnisse entstehen können – selbst wenn die Antwort gut begründet ist.
Da stellt sich die Frage: Was sind die häufigsten Ursachen für Missverständnisse? Und wie kann man sie – als Beteiligter oder Außenstehender – gezielt auflösen?

1. Unterschiedliche mentale Modelle
Wir alle interpretieren Begriffe und Konzepte anders, basierend auf unseren eigenen Theorien und Erfahrungen. Ein Entwickler könnte „fertig“ als abgeschlossene technische Umsetzung verstehen. Ein Product Owner hingegen erwartet eine getestete, dokumentierte und ausgerollte Funktion.
Mögliche Lösungsansätze /1/:
- Klärende Fragen stellen: „Was genau meinst du mit ‚fertig‘?“
- Eigene Annahmen offenlegen und abgleichen.
2. Unterschiedliche Kommunikationsebenen
Ein Gespräch kann gleichzeitig auf der Sachebene (Fakten, Daten) und der Beziehungsebene (Emotionen, Bedürfnisse) stattfinden. Ein Teammitglied sagt: „Wir haben das Feature schon oft besprochen!“, während der Product Owner hört: „Du hältst mich für unfähig.“
Optionen /2/:
- Die Gesprächsebenen bewusst machen: „Reden wir über Fakten oder Emotionen? Wollen wir das trennen?“
- Eigene Reaktion hinterfragen: „Meint die Person das wirklich so?“


3. Fehlende gemeinsame Sprache
Fachbegriffe, Abkürzungen oder unklare Formulierungen führen oft zu Missverständnissen. Wenn wir über „inkrementell arbeiten“ sprechen, verstehen einzelne darunter vielleicht viele kleine Features parallel zu entwickeln.
Optionen /3/:
- Begriffe aktiv klären: „Was verstehst du unter ‚inkrementell‘?“
- Missverständnisse als Lernchance nutzen. Nachfragen, wenn etwas unklar ist: „Meinst du damit kleinere Releases oder eher iterative Verbesserungen?“.
4. Unterschiedliche Ziele oder Prioritäten
Die Entwickler möchten technische Schulden abbauen, während der Product Owner schnelle Releases priorisiert. Die Beteiligten arbeiten aneinander vorbei, weil ihre Ziele nicht synchronisiert sind. Sie haben unbewusst oder bewusst unterschiedliche Interessen.
Optionen /4/:
- Gemeinsame Ziele reflektieren: „Was wollen wir gemeinsam erreichen?“
- Transparenz über Prioritäten schaffen: „Mir ist Qualität wichtig, dir Time-to-Market – wie können wir beides unter einen Hut bringen?“


5. Emotionale Blockaden
Vergangene Konflikte oder persönliche Vorurteile können dazu führen, dass Menschen Aussagen verzerrt wahrnehmen. Ein Entwickler fühlt sich vom Product Owner oft unter Druck gesetzt und reagiert auf sachliche Kritik mit Abwehr.
Optionen /5/:
- Emotionen ansprechen: „Steht hier Frustration im Raum?“
- Eigene Reaktion reflektieren und Emotionen trennen: „Bin ich auf die Sache oder die Person wütend?“
Fazit
Missverständnisse lassen sich nicht völlig vermeiden, aber sie können minimiert und sogar genutzt werden. Wer aktiv zuhört, Begriffe klärt und emotionale Faktoren berücksichtigt, schafft eine bessere gemeinsame Kommunikation. Agile Prinzipien wie Transparenz und Zusammenarbeit helfen dabei, solche Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.
Welche (dieser) Ursachen begegnen dir am häufigsten? Wie gehst du damit um?
Weiterführende Quellen und Literatur
/1/ Senge, P. (1990). The Fifth Discipline: The Art & Practice of the Learning Organization.
/2/ Schulz von Thun, F. (1981). Miteinander reden: Störungen und Klärungen.
/3/ Pinker, S. (2014). The Sense of Style: The Thinking Person’s Guide to Writing in the 21st Century.
/4/ Lencioni, P. (2006). Silos, Politics and Turf Wars.
/5/ Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow.
Sportliche Grüße
PS: Die Überlegungen aus 2024 findet Ihr hier: